Bericht

 
28.08.2021 - 10:17 Uhr
 
Wir freuen uns immer sehr, wenn wir mit unseren ehemaligen Schülerinnen und Schülern den Kontakt aufrecht erhalten können und erfahren, wohin es sie nach der Schule verschlagen hat. Fabienne hat im letzten Jahr Abitur bei uns gemacht und uns einen Bericht über ihren momentanen Aufenthalt in Namibia geschickt:
„Mir geht es hier in Namibia sehr gut. Nach der Schulzeit habe ich mich erstmal in einer schwierigen Phase befunden. Gerade durch die Corona-Pandemie war ich etwas verloren und wusste nichts so recht, mit mir anzufangen. Normalerweise wollte ich nach der Schulzeit für ein Jahr nach Kolumbien gehen, um in einem Mutter-Kind-Zentrum zu unterstützen. Die soziale Arbeit und das Reisen und Kennenlernen von neuen Ländern und Kulturen haben mich schon immer angesprochen. Also dachte ich mir, verbinde ich doch beides. Ein neues Land, eine neue Kultur, eine neue Sprache und natürlich neue Menschen und neue Herausforderungen. Das klang sehr spannend für mich. Leider hat Corona mir da aber einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie wahrscheinlich bei vielen, die 2020 einen Auslandsaufenthalt oder ähnliches geplant hatten. Aus dem Grund wollte ich dann doch direkt anfangen zu studieren, wurde jedoch bei den Studiengängen, die ich interessant fande, abgelehnt. Ich habe dann angefangen, Teilzeit in einer Grundschule in der Betreuung zu arbeiten und dachte mir, dass ich dann einfach in diesem Frühjahr mit dem Studieren anfange. Aber irgendwie hat sich das noch nicht richtig angefühlt und ich konnte von meinem Traum, ins Ausland zu gehen und mich dort sozial zu engagieren, nicht loslassen.
Eines Abends hatte ich im TV eine Einblende gesehen, wo von der Organisation Wadadee Cares e.V. berichtet wurde. Die Organisation wurde von Lena Palm, einer deutschen Aachenerin gegründet, die damals auch nach dem Abitur für ein halbes Jahr Freiwilligenarbeit in Namibia geleistet hat. 
Nach diesem halben Jahr hatte sie für sich festgestellt, dass ihr die Hilfe, die sie in der Zeit hier geleistet hat, nicht genügte und sie entschied sich dazu, mehr bewirken zu wollen. Sie sprach daraufhin Shaun Awaseb an, einen einheimischen Namibianer, der „Wadadee“ gründete. Wadadee existierte schon vorher, jedoch war es mehr nur ein Haus, um genauer zu sein, das Kindheitshaus von Shaun, in dem er freiwillige Helfer oder Touristen aus Deutschland, aber auch aus aller Welt, beherbergte. Heute ist es das Haus, das all’ die freiwilligen Helfer von Wadadee Cares e.V. ihr Zuhause nennen. Wadadee ist Damara, eine der vielen gesprochenen Tribe Languages hier, und bedeutet auf deutsch etwa „Es ist für jeden“, „Jeder ist hier willkommen“. Im Jahr 2015 entschieden sich also beide dafür, Wadadee größer zu machen und mit einigen sozialen Projekten bzw. Einrichtungen zu kooperieren und sie natürlich auch finanziell zu unterstützen. Darunter sind Kindergärten, Vorschulen, Kinderheime und Suppenküchen… All diese Projekte gab es schon vorher und sie wurden von einheimischen, namibianischen Frauen gegründet. Ein Projekt wurde von Wadadee selbst gegründet, das sogenannte iNAMi, welches ein Kinderheim ist für Kinder, die Waisen sind, keine Familie mehr haben oder traumatische Dinge erlebt haben. Manche von diesen Projekten sind sogar bei den Frauen oder Familien im Haus. Es ist einfach unglaublich toll und beeindruckend, was hier auf die Beine gestellt wurde. Ich bin nun seit über 2 Monaten hier und arbeite in dem Projekt Erica‘s Pre-Primary School. Erica ist eine namibianische, total warmherzige Frau, fast 60 Jahre alt und hat das Projekt damals, vor ungefähr 20-30 Jahren, selbst auf die Beine gestellt. Es ist in 3 verschiedenen Altersklassen unterteilt. Morgens betreuen und spielen wir mit den jüngeren Kindern, die zwischen 1 und 4 Jahre alt sind. Danach unterrichten wir nebenan in dem kleinen Klassenraum die Kinder, die ungefähr zwischen 5 und 8 Jahren sind. Da der Lernprozess der Kinder hier etwas verzögerter ist als in Deutschland, lernen wir gerade erst das Alphabet, das Schreiben und die Zahlen. Gegen Nachmittag kommen dann die großen Schulkinder, die zwischen 9 und 12 Jahren sind. Mit ihnen machen wir dann Hausaufgaben oder quatschen einfach.
 
Meine Arbeitszeit ist von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr. Es ist wirklich toll und unbeschreiblich, was ich hier täglich erlebe aber auf der anderen Seite manchmal auch echt herausfordernd, da natürlich die Kultur, Sprache und die Kinder ganz anders sind als in Deutschland. Normalerweise wäre ich bis zum 12. September hier geblieben, jedoch habe ich nun meinen Aufenthalt um einen Monat verlängert, da als ich gerade kam, ein Lockdown hier in Namibia war und ich die ersten Wochen nicht viel machen konnte. Nun gefällt es mir so gut hier und ich möchte noch mehr von Land, Kultur und Leuten kennenlernen, dass ich mich noch nicht bereit dazu fühle, zu gehen.
Neben mir als Freiwillige gibt es natürlich auch noch andere freiwillige Helfer hier im Haus. Die meisten Freiwilligen, die hier sind, sind etwa zwischen 18 und 25 Jahre alt. Man kann sich aber trotzdem in jedem Alter, solange man nicht minderjährig ist, bewerben. Momentan sind wir nur 9 Freiwillige im Haus, da die Gruppe aufgrund von Corona etwas kleiner gehalten wurde, aber normalerweise ist hier Platz für um die 20 Leute und das Haus wird sich wohl nun auch bald wieder füllen. Wir haben eine superschöne Anlage mit Garten, Pool, Billardtisch, Balkon, einer großen Küche und einem Wohnzimmer und natürlich unseren eigenen Zimmern. Es gibt Einzel- und Doppelzimmer, aber auch 3er, 4er und 8er Zimmer. Ich bin momentan in einem Einzelzimmer untergebracht, da es nach so einem langen Tag mit vielen Menschen dann doch mal schön ist, abends die Ruhe zu genießen. Jeder der Freiwilligen ist in einem anderen Projekt eingeteilt. Zudem gibt es die Möglichkeit für uns, auch etwas von dem Land zu sehen. Gestern zum Beispiel bin ich aus Sossusvlei, der Wüste mit der zweithöchsten Düne, wiedergekommen, wo wir am Wochenende einen Ausflug hin unternommen haben. Es war einfach nur beeindruckend und selbst Bilder geben diese Faszination nicht wieder! Genauso werden ein-oder zweiwöchige Trips angeboten, die durch den Süden oder Norden Namibias gehen. Wir haben vor etwa einem Monat einen 9-tägigen Trip durch den Etosha Nationalpark, Damaraland, Spitzkoppe und Swakopmund gemacht. Die Landschaft und die Tiere waren so faszinierend, dass ich sagen kann, dass es mit Abstand das Beeindruckendste ist, was ich jemals in meinem bisherigen Leben gesehen habe.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich hier schon einige Eindrücke und Dinge, sowohl positive als auch negative, gesehen und erlebt habe, die mich mein ganzes Leben lang prägen werden. Die Positivität und die Gastfreundschaft der Namibianer, trotz dass ein großer Teil von ihnen wenig hat, ist unfassbar. Die Menschen hier haben Freude an so vielen kleinen Dingen, dass ich ab und zu denke, dass wir Deutschen uns davon eine Scheibe abschneiden könnten. Auf der anderen Seite habe ich hier auch schon viel Armut, Krankheit und schlimme Schicksale mitbekommen. Als wir durch die armen Straßen gefahren sind, um Essen an die ärmeren Menschen auszuteilen, an zig Wellblechhütten und kaputten Straßen vorbei gefahren sind und dann mit unseren Food Packages aus dem Bus stiegen und eine Menge voller erwachsener Menschen sehnsüchtig vor uns stand und darauf wartete, eines dieser Pakete zu erhalten, sich sogar teilweise stritt, wer nun dran ist, wie kleine Kinder, die sich um Süßigkeiten streiten, hatte ich echt Gänsehaut. In dem Moment habe ich mir echt kurz gedacht: „Man, was sind wir eigentlich für privilegierte Arschlöcher!“ Auf der anderen Seite gibt es dann aber in der Hauptstadt Windhoek und in Swakopmund Häuser, Restaurants und Läden, die man wirklich 1:1 nach Deutschland kopieren könnte und keinen Unterschied merken würde. Die Spanne zwischen arm und reich ist hier also wirklich eine sehr sehr Große.
Die Zeit hier in Namibia verändert mich. Ich merke, wie ich persönlich durch all die Erfahrungen und Erlebnisse wachse und wahrscheinlich auch noch wachsen werde, wie ich anfange, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und auch für das größte Problem versuche, eine Lösung zu finden. Die Reise nach Namibia war und ist somit nicht nur eine Reise in ein neues Land, sondern auch eine Reise zu mir selbst. Es ist nicht nur eine Bereicherung für die Lebenden hier, die diese Hilfe und das Engagement mit großer Sicherheit ihr ganzes Leben lang schätzen und niemals vergessen werden, sondern auch für einen selbst. Ich kann es nur jedem empfehlen. Es ist eine Erfahrung, an die man sein ganzes Leben lang zurückdenken wird.“
 

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